Ayaan Hirsi Ali: „Der Islam stilisiert sich selbst zum Opfer“

Ayaan Hirsi Ali gibt Welt Online ein Interview bezüglich Islam und ihrem Leben.

Nachfolgend einige bemerkenswerte Aussagen, welche man so nur unterstreichen kann. Es wäre wünschenswert, wenn es mehr so aufrichtige und tapfere Frauen gäbe, welche die Probleme mit dem Islam so offen aussprechen würden:

Ayaan Hirsi Ali: Die Islamisten übernehmen die Macht im Mittleren Osten, das hat sich geändert! Es ist sehr traurig, dass sie die Wahlen in Tunesien und Ägypten gewonnen haben, dass sie Libyen kontrollieren. Die schlechten Nachrichten kriegt man schnell zusammen, und die guten? Immerhin: Menschen sind aufgestanden gegen die Diktatoren. Zwar wählen sie die Islamisten, aber es ist ihre Wahl, und mit den Konsequenzen müssen sie leben und können nicht mehr die Juden oder Amerika zum Sündenbock machen. Sie allein haben sich das eingebrockt.

Hirsi Ali: Multikulturalismus in dieser Form der Ignoranz hat einfach nicht funktioniert. Angela Merkel und viele andere Staatsmänner Europas haben das auch erkannt. Das ist gut.

Welt Online: Was sagen Sie, wenn man Sie eine Islamophobe nennt, eine Fundamentalistin der Aufklärung?

Hirsi Ali: Mich nervt das einfach. Ich kann nur sagen: Aufklärung kann niemals fundamentalistisch sein. Ihr Wesenskern ist kritisches Denken, und das ist dynamisch. Ich hinterfrage, was du denkst, und du tust das Gleiche. Und nun zur Islamophobie, dem größten Schwachsinn unserer Zeit! Es gibt sie nicht. Es gibt vielleicht Christophobie, denn Christen werden weltweit verfolgt. Aber Islamophobie? Ein PR-Gag der Islamisten im Westen, um den Gesellschaften Schuldgefühle einzuimpfen. Islam wird psychologisch auf die gleiche Stufe gestellt wie Ethnie oder sexuelle Orientierung. Paradox: Eine Religion wie der Islam, bigott gegen Frauen, Ungläubige, Homosexuelle, stilisiert sich selbst zum Opfer!

Hirsi Ali: Viele Muslime sind in der Tat integriert, das ist eine gute Nachricht. Aber eben nicht die Mehrheit, sonst würden wir nicht hier sitzen. Es werden wegen der Umwälzungen in Nordafrika noch mehr Muslime kommen. Gehen Sie nach Lampedusa, das ist eine Insel der Flüchtlinge geworden, die nach Europa wollen. Wir müssen uns dem stellen: Nur wer einen Eid ablegt, wie jenen in Amerika, unsere Werte zu akzeptieren, also die Freiheit des Individuums und die Gleichheit von Mann und Frau, der Respekt des Eigentums, unsere westliche Minima Moralia, nur die dürfen herein. Und jene, die schon hier sind: eine Rückweisung des politischen Islam wie auch kultureller Praktiken, die anderen Individuen Schaden zufügen. Ich meine Zwangsbeschneidungen, Zwangsheirat, „Ehrenmord“. Das beschädigt Individuen.

Welt Online: War der Krieg gegen den Terrorismus umsonst? Irak, Afghanistan, Pakistan – vergebliche Mühe?

Hirsi Ali: Nein, immerhin gab es Wahlen im Irak und in Afghanistan. Es war nicht umsonst. Ein Hauch von Demokratie weht durch diese Länder. Ich finde dennoch bedauerlich, dass die Amerikaner gehen, besonders aus Afghanistan. Sie haben den falschen Krieg geführt und den Krieg der Ideologie des Islam und von al-Qaida nicht beantwortet. Der Westen sagt immer noch, der Islam sei eine Religion des Friedens und habe nichts mit der Gewalt zu tun. Das geht nicht.

Welt Online: Der „arabische Frühling“ verblasst. Welchem muslimischen Land wird Demokratisierung und Modernisierung am ehesten gelingen?

Hirsi Ali: Einige der Länder werden getestet. Der Iran ist verrückterweise nicht nur ein Land, das mit seinem Atompoker einen Weltkrieg auslösen könnte, sondern auch ein Land der Hoffnung. Die Gesellschaft will die Mullahs weghaben. Sie haben sie satt. Scharia und all das. Also zeigt sich doch, dass die menschliche Erfahrung der mächtigste Lernmechanismus ist.

Islamische Welt – Quo vadis?

Wie wir aus den Massenmedien heute erfahren, möchte der libysche Übergangsrat in Libyen einen Rechtsstaat auf Basis der Scharia, des islamischen Rechts, errichten. Aus Ägypten hören wir nach Mubaraks Sturz immer wieder Meldungen über das Erstarken der Muslimbruderschaft und wie diese nun immer neue islamische Forderungen (z.B Bikini-/Alkohol-Verbot) stellt. In Tunesien kehren die devoten Muslime (manchmal als Islamisten bezeichnet) in die Politik zurück. In Syrien ist die Lage weiterhin undurchsichtig, klar ist, dass er grosse Teile der Bevölkerung ermordet, doch wer ging da ursprünglich auf die Strasse und für was? Die grüne Bewegung im Iran ist tot, oder wenn man etwas hoffnungsvoller sein möchte, dann kann man sagen, dass das Feuer immer noch unter der Asche lodert – doch kommt die Demokratiebewegung je wieder in Schwung und hat diese in einem solchen repressiven System überhaupt eine Chance? Dazu steht der Iran vermutlich bald wirklich vor der Möglichkeit Atombomben zu bauen. Und was geht genau im Yemen ab? Der Präsident ausser Land aber klammert sich irgendwie noch immer an die Macht und wer demonstriert auch dort und wofür? Als wären die Ambitionen des Mullah-Staates Iran noch nicht gefährlich genug, heizt auch noch der Türkenführer Erdogan zusätzlich den seit dem Flotilla-Zwischenfall im letzten Mai schon bestehenden Konflikt zwischen der Türkei und Israel weiter an und droht sogar mit Krieg. Möchte er die Türkei zu einer neuen Macht ausbauen, einem neuen Osmanischen Reich mit ihm an der Spitze?

Wohin das alles führt? Sehr schwer einzuschätzen. Doch sieht es nicht danach aus, als sähen wir ruhigeren Zeit entgegen. Es ist eher anzunehmen, dass diese Konflikte noch weiter eskalieren werden. Muss es zuerst schlechter werden, bevor es besser wird?

Technik entwickelt sich immer vom Primitiven über das Komplizierte zum Einfachen.
(Antoine de Saint-Exupéry)

Vielleicht verhält es sich ja auch so ähnlich mit Gesellschaftsformen. Die arabischen Völker hatten bisher noch nie die Chance auf eigenen Beinen zu stehen und eine Gesellschaftsform wie eine Demokratie zu entwickeln. Nach der Islamisierung standen diese Völker immer unter eine autoritären Herrschaft. Sei es durch Osmanische Sultane oder selbst-verliebte autokratische Führer wie Mubarak oder Gaddafi. Auch als die Länder durch westliche Mächte kolonisiert wurden, konnten sie nicht über ihr eigenes Schicksal bestimmen. Eine Demokratie funktioniert nur, wenn das Volk dahinter steht und auch weiss was alles zu einer modernen Demokratie gehört (nicht nur das Stimmrecht, sondern auch eine Trennung von Religion und Staat, gleiche Rechte für jeden, egal welcher Religion er angehört). Die Europäer haben all dies in einem längeren Prozess gelernt, die französische Revolution und die Aufklärung sind hier wesentliche Elemente, wenn nicht die Grundsteine für die Form der heutigen westlichen Staaten.

Ich denke es ist deshalb unvermeidlich, dass dieser Lernprozess auch in den arabischen Staaten vollzogen wird, auch wenn es die Gefahr birgt, dass es zwischenzeitlich zu schlimmeren Zuständen kommt, als zum Beispiel und den alten Diktatoren. Vielleicht ist der Iran ein Modell für diesen Prozess, einfach in einem fortgeschrittenen Stadium. Nach der islamischen Revolution haben die Leute die wahre Natur des Islams kennengelernt und nicht nur eine beschönigte, spirituelle Seite. Sie haben schmerzhaft gesehen, dass das islamische System nicht funktioniert und zum Scheitern verurteilt ist. Bereits zur Zeit der islamischen Revolution, wollten viele Iraner kein islamisches System, nun hassen praktische alle dieses System (ausser natürlich die wenigen Exoten wie Mullahs, Sandis-Schlürfern, Khomeini-Verliebten und westliche Deppen die im heutigen Iran einen verbündeten in ihrem Kampf gegen das „imperialistische“ Amerika/Israel sehen). Würde das repressive System nun endlich durch Intervention von innen (oder Notfalls auch von aussen) zusammenbrechen, dann hätten wir guten Grund anzunehmen, dass aus dieser Nation ein wahrhaftig demokratischer Staat entsteht, welcher sich den universellen Menschenrechten verpflichtet fühlt.

Vielleicht ist also der folgende Weg und damit verbundene Lernprozess nötig:
Leben unter autoritärem Herrscher/Regime (islamisch angehaucht aber stark westlich) -> Sturz des Herrschers/Regimes mit Wunsch nach Volksherrschaft nach islamischen Normen -> Islamisten übernehmen die Macht und errichten ein schariakonformes, streng-islamisches System -> Volk lernt das System und (zumindest) die negativen Aspekte ihrer Religion/Ideologie zu hassen und möchte eine Demokratie nach westlichem Vorbild -> Sturz des islamischen Regimes und Errichtung einer säkularen Demokratie.

Wunschdenken? Naiv? Jedenfalls denke ich, dass eine solche Gesellschaftsform auf alle Fälle besser ist, als jenes System welches diese Menschen heute haben.

Demokratie ist die schlechteste Regierungsform – außer all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.
(Winston Churchill)